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Foto: Ralf Emmerich

Paul Wulf
ein unermüdlicher Kämpfer für Gerechtigkeit

Paul Wulf, der am 3. Juli 1999 in Münster im Alter von 78 Jahren gestorben ist, war unermüdlicher Spurensucher, eine Archiv-Wühlmaus und ein Aufklärer über eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte: die im Rassenwahn begründete Zwangsterilisierung von angeblich ‘erbkranken’ Menschen. Sein persönliches Schicksal verknüpfte er stets mit der allgemeinen politischen Situation und zog daraus seine Schlüsse.

Als junger Mensch wurde er im März 1938 im Landeskrankenhaus Paderborn von faschistischen Ärzten zwangssterilisiert. Sein Schicksal teilte er mit den ca. 400.000 Menschen, die auf der Grundlage des ‘Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses’ vom 14. Juli 1933 (Erbgesundheitsgesetz) im ‘Dritten Reich’ zwangssterilisiert wurden. Unermüdlich wies er auf diese Schweinerei - ein Wort was er in diesem Zusammenhang häufig benutzte - hin und hat sich für seine Wiedergutmachung und die der anderen Menschen eingesetzt. Mit seinen Ausstellungen, die er in zahlreichen Städten zeigte, trug er seit den 70er Jahren mit dazu bei, daß die Erinnerungen an diese und andere nationalsozialistische Verbrechen nicht unter dem Teppich gekehrt werden konnten. Diese Ausstellungen, die durch seine eigene Handschrift geprägt und mit viel Liebe und Herz gemacht waren, zeigen auch die Verbindung der Vergangenheit mit der Gegenwart (z.B. wies er stets auf die personelle Verpflechtung eines Teils der bundesrepublikanischer Nachkriegsgesellschaft mit dem ‘Dritten Reich’ hin, so v.a. in der Ärzteschaft).

Mit ihm verliert Münster einen der wenigen Linken, der sich und seinen Idealen Zeit seines Lebens treu geblieben ist. Paul Wulf war ein Linker, ein Anti-Faschist, Freidenker und libertärer Kommunist, der den Kontakt zu anderen Menschen nie scheute. Vor allem jungen Menschen mit all ihren Utopien war er sehr aufgeschlossen. Im Mittelpunkt standen bei ihm der Austausch mit den Menschen und nicht die Parteien, von denen er auf die Jahre enttäuscht war. Zu vielen Menschen aus unterschiedlichen politischen Bewegungen und Generationen hielt er den Kontakt aufrecht, auch über ihn lernten sich Menschen aus unterschiedlichen Spektren kennen und schätzen, die sich sonst wahrscheinlich nicht zusammengekommen wären. Um ein Beispiel zu nennen - in einem Nachruf von Klaus Dillmann in der AntifaZ lese ich „Über Paul lernte ich unter anderem auch die anarchistische Zeitschrift Schwarzer Faden kennen, die ich nach wie vor gerne lese, während Paul gelegentlich zu mir kam, wohl hauptsächlich, um mal wieder einen Roten Morgen zu ergattern.“

Obwohl die Gespräche mit ihm zum Teil sehr anstrengend waren, da es einem sehr schwer fiel, ihm bei den vielen Namen und Fakten, die er nur so heraussprudelte, zu folgen und mensch viel Zeit mitbringen mußte, trug er als lebendiges Gedächtnis dazu bei, dass die Erinnerung auch an die für Gerechtigkeit kämpfenden Menschen, wie beispielsweise Theo Pinkus, Ulrike Meinhoff oder Erich Mühsam, einem seiner Lieblingsautoren, nicht verloren gingen. Seine Vorliebe zur politischen bissigen Satire und zur Karikatur brachte seinen ihm sehr eigenen Humor zu Tage. Als ich einen Filmworkshop mit dem argentinischen Filmemacher Fernando Birri machte, taucht Paul Wulf, wie so oft, unerwartet auf und freute sich wie ein Kind, daß die autoritäre Kirche und deren Weihrauchschwenker, deren scheinheilige doppelte Moral er immer bekämpfte, in einem Film durch den Kakao gezogen wurde.

Im Rückblick auf die 20 Jahre, in denen ich ihm immer wieder begegnet bin, findet auch eine Wiederbegegnung mit meiner eigenen Geschichte statt: ob in Brockdorf im eisigen Winter oder im warmen Wohnzimmer der Kronenburg-Kneipe, wo die ‘Swinging Mescaleros’ zum Tanz aufspielten, oder wie zuletzt bei einer Kundgebung gegen den NATO-Krieg in Jugoslawien in Münsters Guter Stube. Wie immer voll beladen mit Gedrucktem zauberte er aus seiner Umhängetasche ein Buch über die Zusammenarbeit der Ustascha-Faschisten in Kroatien mit dem Vatikan hervor. Als ich mich mit Nicaragua beschäftigte, schenkte mir Paul Wulf das Buch „So werden Kriege gemacht“, das u.a. den massiven Einfluß der USA in Zentralamerika Anfangs dieses Jahrhunderts beschreibt. Und auch die Ameisen auf der anderen Seite des Meeres werden August Caesar Sandino, Che Guevarra, Tamara Bunke und Salvador Allende von einem Menschen namens Paul Wulf erzählen.

Ohne seine Schwester Agathe, die ihm immer hilfreich zur Seite stand, hätte Paul Wulf diese gewaltige Aufklärungsarbeit wahrscheinlich nicht so verwirklichen können. Man muß Respekt haben vor den Frauen, die mit solch einem politischen Menschen zusammenleben. Mensch kennt die ‘großen Kämpfer’, aber ihre Gefährtinnen kennt mensch nicht, dabei tragen sie entscheidend dazu bei, daß diese Taten erst verwirklicht werden können.

Paul Wulf hinterläßt nicht nur zahlreiche Bücher und Papiere, die er bei seinen Streifzügen in zahlreichen Archiven kopierte und die der Münsteraner Erinnerungs- und Gedenkstätte Villa ten Hompel (Sitz der Ordnungspolizei während ‘des Dritten Reiches’) zur Verfügung gestellt werden, sondern er zeigte durch sein Schaffen auch den Willen und die Kraft eines Menschen, der trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge der Linken an eine gerechte Welt glaubte und sich mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzte.

Volker Pade

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